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St. Anton



Erbaut von Orgelbau Willisau LU
Baujahr 1931 | III/P/62

Die Orgel der Antoniuskirche in Basel

Erbaut von Orgelbau Willisau AG (Willisau, Kanton Luzern)

Baujahr 1931 | III/P/62 (und drei Transmissionen)

 

Geschichte der Orgel

Die am 6. September 1931 eingeweihte Orgel auf der Westempore der Antoniuskirche wurde durch die Firma Orgelbau Willisau erbaut. An der Planung waren die Orgelsachverständigen Ernst Schiess (1894-1981, damals in Solothurn, ab 1933 in Bern tätig) und Pater Stephan Koller OSB (1893–1984, Kloster Einsiedeln) beteiligt. Der eigenwillige Prospekt und der Einbau der Orgel in das Betonfachwerk der Kirchenrückwand gehen auf Ideen von Karl Moser (1860-1936), dem Architekten der Kirche, zurück. Die Orgel hat einen offenen Freipfeifen-Prospekt ohne Gehäuse, der in einer raffinierten Verschränkung von Symmetrie und Asymmetrie 50 Pfeifen der Prinzipalregister 16‘ von Haupt­werk und Pedal in chromatischer Folge sowie eine Pyramide von 14 Pfeifen der Bombarde 16‘ des Hauptwerks zeigt. Ein klarer Werkaufbau fehlt.

Das Instrument enthält gegen 5000 Pfeifen in 62 klingenden Registern; die 13 Zungenregister wurden von der Spezialfirma Vve. Leau & Fils aus Paris gebaut. Die Orgel ist mit Taschenladen, Reisner-Magneten und der damals in der Schweiz noch seltenen elektropneumatischer Traktur ausgestattet; sie hat einen werkweise differenzierten Winddruck von 65 mm WS bis 105 mm WS. Um einem Stromausfall begegnen zu können, wurden eine mechanische Tretanlage für den Notbetrieb eines Teils der Orgel sowie ein (als technisches Denkmal erhaltenes) Notstrom-Aggregat mit Akkumulatoren eingebaut.

Der ursprüngliche Spieltisch der Orgel besass neben anderen Spiel- bzw. Registrierhilfen sechs Setzerkombinationen (sogenannte „Amerikanische Setzerkombinationen“), was in jener Zeit eine innovative und aufwändige Ausstattung war. Er wurde im Jahr 1961 in einem Willkürakt der Verwaltung durch einen fahrbaren Spieltisch mit einem erheblich reduzierten Angebot an Spielhilfen ersetzt; nun waren nur noch zwei freie Kombinationen vorhanden (neben dem traditionellen Crescendo-Tritt, drei festen Kombinationen, der Generalkoppel, dem Absteller für die 16’-Lage aller Manuale sowie Einzelabstellern für die Zungenregister und den Subbass 32‘).

Im Jahr 1976 erfolgte eine damals so genannte Renovation durch die Firma Orgelbau Kuhn (Männedorf), die aus heutiger Sicht als Umbau bezeichnet werden muss, da die Intonation der meisten Register erheblich verändert wurde mit dem Ziel, den Klang der Orgel den Moden der 1960er- und 1970er-Jahre anzunähern und zu diesem Zweck wesentlich lauter und obertöniger zu machen. In einem Zeitungsbericht wurde den Mixtur-Registern nach jener Massnahme eine „grössere Durchschlagskraft“ bescheinigt – diese Formulierung lässt sonst eher an Feuerwaffen als an ein Musikinstrument denken.

Die Stimmtonhöhe wurde von ursprünglich 435 auf 440 Hz angehoben und der Winddruck etwas erhöht. Ausserdem wurde eine Rückwand aus Holz eingebaut, um die Klangabstrahlung zu verbessern und eine Isolierung gegenüber der rückwärtigen Betonwand und dem dahinter befindlichen Heizungskamin zu bewirken. Das Register Gedackt 16‘ des Schwellwerks wurde als Transmission auch im Hauptwerk spielbar gemacht, wofür ein Schalter mit der singulären und für alle Gäste verwirrenden Bezeichnung „Gedacktkoppel“ beschriftet wurde; schliesslich wurde die Flöte 8‘ des Schwellwerks schwebend gestimmt und als Unda maris bezeichnet.

Von März bis Mai 2018 sowie von Oktober 2018 bis Januar 2019 erfolgte eine Revision durch Orgelbau Klahre (Basel). Diese umfasste die Reinigung der gesamten Orgel, die Überholung der Windversorgung und des Pfeifenwerks (v.a. der Prospektpfeifen, die mit Aufhängungen stabilisiert werden konnten) sowie die Erneuerung der Verkabelung und aller Ventilbälgchen. Die vorgefundene Unda maris wurde wieder als Flöte 8‘ eingestimmt, da das Register nach dem vorigen Umbau angesichts des Fehlens einer in Mensur und Klangfarbe ähnlichen Stimme als Schwebung völlig unbrauchbar war, während es in der wiederhergestellten originalen Form eine wichtige Farbe darstellt und im Schwellwerk die schmale 8‘-Basis etwas verbreitern kann.

Die Intonation der Orgel wurde überarbeitet. Aus Kapazitätsgründen musste darauf verzichtet werden, die Veränderungen von 1976 grundsätzlich rückgängig zu machen, doch konnten ein paar zuvor stark hervorstechende Register klanglich wieder so weit eingegliedert werden, dass nun alle Register der Orgel gut verwendbar sind. Bei den Mixturen des Hauptwerks wurde die zunächst geplante Korrektur der Intonation nicht realisiert, stattdessen wurden einige Chöre abgesteckt, so dass die auf den Registerschaltern mitgeteilte originale hohe Chorzahl (die nach den Grundsätzen der Erbauungszeit mehr der Anreicherung des Klangs als der Steigerung der Lautstärke dienen sollte) nicht der aktuell hörbaren Zusammensetzung entspricht.

Die Spezialfirma Laukhuff (Weikersheim D) lieferte (nach 1931 und 1961) bereits zum dritten Mal einen Spieltisch für die Orgel der Antoniuskirche. Dieser ist mit Setzerkombinationen, Sequenzschalter, Aufnahmefunktion, Midi-Anschluss und einer Einrichtung zum Programmieren zusätzlicher Koppeln ausgestattet. Diese und weitere technische Möglichkeiten können auch über einen eingebauten Touchscreen gesteuert werden. Die Wiedereinweihung der revidierten Orgel erfolgte am 10. Februar 2019.

Die römisch-katholische Kirche St. Anton in Basel ist die erste Betonkirche der Schweiz (1927) und wurde zur Zeit ihrer Planung und Erbauung als völlig neuartiges Bauwerk angesehen. Sie erhielt die (damals wie heute) zweitgrößte Orgel der Stadt, die sowohl äusserlich und klanglich als auch im Anspruch, damals neue Tendenzen exemplarisch zu verwirklichen, hervorragend zur Kirche passt. Der ursprüngliche Klangaufbau verband Ideen der frühen Orgelbewegung mit Merkmalen des französisch-symphonischen Stils. Die in ihrem historischen Kontext innovative Disposition, die reiche Ausstattung mit Spiel- bzw. Registrierhilfen, der ungewöhnlich grosse Pedalumfang und die aufwändige Beschaffung der zahlreichen Zungenregister bei einer Spezialfirma im Ausland verweisen u.a. auf das Vorbild der nur ein Jahr älteren Kuhn-Orgel des Berner Münsters, die allerdings Ende der 1990er-Jahre beseitigt wurde. (Matthias Wamser)

 

Disposition

62 klingende Register und 3 Transmissionen (Nummerierung wie im Spieltisch)

 

I. Manual (Hauptwerk)

C – g'''

17 Register und 1 Transmission

27

Principal

16‘

26

Gedackt (Transmission aus SW)

16‘

25

Principal

8‘

22

Flauto major

8‘

23

Gemshorn

8‘

24

Gedackt

8‘

21

Octave

4‘

20

Nachthorn

4‘

19

Spitzflöte

4‘

18

Quinte

2 2/3‘

17

Superoctave

2‘

16

Spillflöte

2‘

15

Mixtur major 6-8fach

2‘

14

Mixtur minor 4fach

1/2‘

13

Cornet 5fach ab f

8‘

12

Bombarde

16‘

11

Trompete

8‘

10

Clarine

4‘

 

II. Manual (Positiv)

C – g'''

13 Register und 1 Transmission

10

Gedackt (Transmission aus SW)

16‘

9

Principal

8‘

8

Gedackt

8‘

7

Quintatön

8‘

6

Octave

4‘

5

Rohrflöte

4‘

4

Nasat

2 2/3‘

3

Superoctave

2‘

2

Nachthorn

2‘

1

Larigot

1 1/3‘

15

Scharf 5-8fach

1‘

14

Zimbel 3fach

1/5‘

13

Krummhorn

8‘

12

Schalmey

4‘

11

Tremolo

 

 

III. Manual (Schwellwerk)

C – g'''

17 Register

37

Gedackt

16‘

38

Principal

8‘

39

Flöte

8‘

40

Salicional

8‘

41

Zartgedackt

8‘

42

Octave

4‘

43

Blockflöte

4‘

44

Quintatön

4‘

45

Sesquialtera

2 2/3‘ + 1 3/5‘

46

Waldflöte

2‘

47

Sifflöte

1‘

48

Mixtur 6fach            

1 1/3‘

49

Zimbel 4fach            

1/3‘

50

Fagott

16‘

51

Trompette harmonique

8‘

52

Oboe

8‘

53

Clairon

4‘

54

Tremolo

 

 

Pedal

C – g‘ (!)

15 Register und 1 Transmission

55

Subbass

32‘

56

Principal

16‘

57

Subbass

16‘

58

Gemshorn

16‘

59

Gedackt (Transmission aus SW)

16‘

60

Principal

8‘

61

Gedackt

8‘

62

Gemshorn

8‘

63

Octave

4‘

64

Nachthorn

4‘

65

Flöte

2‘

66

Mixtur 8fach            

5 1/3‘

67

Posaune

16‘

68

Dulcian

16‘

69

Trompete

8‘

70

Clairon

4‘

 

Normalkoppeln

III – II, III – I, II – I, III – P, II – P, I – P

Weitere Koppelverbindungen (Rück-, Oktav- und Intervallkoppeln sowie Mixturklänge) können frei programmiert werden.